Hundertwasser

Was für ein unvergesslicher Augenblick! Die Bühne war im Scheinwerferlicht erstrahlt, während die Menschenmassen atemlos warteten. L.Credi, die einst mit ihrer weltweiten Baumpflanzinitiative Ruhm erlangte, wurde nun zur Bundesgartenschau eingeladen. Doch das war nicht alles, denn L.Credi war nicht nur eine begnadete Sängerin, sondern auch eine Verfechterin des Umweltschutzes.

Nach dem verheerenden Sombrero-Skandal, bei dem mutige Rentnerinnen es wagten, mit Sombreros auf der Bühne „Viva Mexiko“ zu singen, lag nun die Aufgabe auf L.Credis Schultern, den Ruf der Gartenschau zu retten und die Show auf ein neues, beispielloses Niveau zu heben. Ihre einzigartige Bewegung, bekannt als „Zuhaitza“, hatte eine Flammenwoge entfacht, die sich mit der „Fridays for Future“-Bewegung vereinte und wie ein Sturm um die ganze Welt tobte. Das Wort „Zuhaitza“, das auf Baskisch Baum bedeutete, wurde zum Symbol des Kampfes gegen den Klimawandel und zur unverkennbaren Stimme für die unersetzliche Bedeutung der Bäume in unserer Zukunft.

Und nun stand L.Credi hier, bereit, in dem neuen E.Mobil von Bielefeld voranzufahren. Auf dem Auto prangten die Namen der Sponsoren, die die neue Ära der Elektromobilität unterstützten. Doch L.Credi konnte sie nicht ertragen, denn in ihrer Schulklasse, die sie als Lehrerin betreute, befanden sich Pablo, Guan und Estobar als die 31. bis 33. Schüler. Diese drei Kinder waren aus der peruanischen Wüste vertrieben worden, weil dort Lithium für die Herstellung neuer Autos abgebaut wurde. Ihre Familie war nach Deutschland geflohen, auf der Suche nach einem besseren Leben.

Am Steuer des Wagens saß ihre treue Freundin LEGO, die L.Credi auf Schritt und Tritt begleitete. LEGO hatte ein revolutionäres Auto entwickelt, das mit vergorenen Sojabohnen betrieben wurde. Ein einfacher schwarzer Behälter auf dem Dach genügte, in dem die Bohnen zu Gas vergammelten und das Auto antrieben. Doch LEGO hatte auch dafür gesorgt, dass der Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld auf dem Rücksitz Platz nehmen musste. Auch er war eingeladen, um die neue Ikone der Klimabewegung bei der Bundesgartenschau zu feiern.

Mit aufgeregtem Herzklopfen sprach LEGO die Eröffnungsworte für L.Credi aus. Die Worte mussten perfekt sein, daher hatte L.Credi sie auswendig gelernt. Sie würde das Baummanifest von Friedensreich Hundertwasser als Lied vortragen. In jeder Grundschulklasse waren Hundertwasserbilder zu bewundern, aber dieses Mal würde es keine langweilige Ausstellung sein. L.Credi würde die Essenz von Hundertwassers Kunst in einem beispiellosen musikalischen Meisterwerk zum Ausdruck bringen.

Ein eintöniger Anblick prägte die Grundschulklassen, in denen die Schüler fleißig Hundertwasserbilder malten…gähnend langweilig. Spiralen und Spiralen. Doch nur wenige von ihnen ahnten, dass der Künstler sich mit Leidenschaft für politische Belange einsetzte. Genauso wenig wussten die Fünftklässler an den Realschulen, die eifrig Keith Haring-Figuren zeichneten, dass Harings Kunst ein Kampf für die Rechte Homosexueller war. Ja, es gab Hundertwassertassen, Handyhüllen und wunderschöne Seidentücher mit seinen Motiven. Doch das, was er vor fast 50 Jahren veröffentlichte, war nun zur erschreckenden Realität geworden.

DEIN FENSTERRECHT – DEINE BAUMPFLICHT 

Friedensreich Hundertwasser 

Wir ersticken in unseren Städten an Luftverpestung und Sauerstoffmangel.
Die Vegetation, die uns leben und atmen lässt, wird systematisch vernichtet.
Unser Dasein ist menschenunwürdig.

Wir laufen an grauen, sterilen Hausfassaden entlang und sind uns nicht bewusst, dass wir in Gefängniszellen eingewiesen sind.

Wenn wir überleben wollen, muss jeder einzelne handeln.

Du musst selbst deine Umwelt gestalten. Du kannst nicht auf die Obrigkeit und auf Erlaubnis warten. Nicht nur deine Kleidung und dein Innenraum, auch deine Außenmauer gehört dir. Jede Art der individuellen Gestaltung ist besser als der sterile Tod.

Es ist dein Recht, dein Fenster und, soweit dein Arm reicht, auch die Außenseite so zu gestalten, wie es dir entspricht.

Anordnungen, die dieses Fensterrecht verbieten oder einschränken, sind zu missachten. Es ist deine Pflicht, der Vegetation mit allen Mitteln zu ihrem Recht zu verhelfen.

Freie Natur muss überall dort wachsen, wo Schnee und Regen hinfallen, wo im Winter alles weiß ist, muss im Sommer alles grün sein.

Was waagrecht unter freiem Himmel ist, gehört der Natur.

Straßen und Dächer sollen bewaldet werden. In der Stadt muss man wieder Waldluft atmen können.

Das Verhältnis Mensch-Baum muss religiöse Ausmaße annehmen.

Dann wird man auch endlich den Satz verstehen: Die gerade Linie ist gottlos. 

Verfasst für die Eurovision TV-Sendung „Wünsch dir was“ am 27. Februar 1972 in Düsseldorf. 

Publiziert in: 

Umwelt. Eine kritische Stellungnahme. Friedensreich Hundertwasser – HA Schult. hrg. von JUNIOR Galerie: Goslar/Deutschland (italienisch, deutsch)

Der Moment der Wahrheit war gekommen. LEGO hatte L.Credi in ein grünes Kostüm gehüllt, ihre Haare zu einem grünen Vogelnest geflochten und ihre Gitarre mit prilblumartigen Gewächsen besprüht. Sie stand auf der Bühne im Landschaftspark, und es war noch ziemlich leer um sie herum.

Würde L.Credis Botschaft die Menschen erreichen? Würden die Massen ihr zuhören?

Zehn Minuten vor ihrem Auftritt waren nur neun Gäste anwesend. Dabei sollten eigentlich mehrere tausend Menschen da sein. Was war passiert? Die Veranstalter hatten den Termin nicht mit dem Fernsehprogramm abgestimmt. An diesem Abend wurde Deutschlands nächstes Topmodel gewählt. Zudem kämpften „Die Auswanderer“ auf VOX ums Überleben in Portugal, und Frau Merkel gab ein Sommerinterview im Fernsehen. McDonald’s feierte außerdem Jubiläum und lud alle Bürger zu einem kostenlosen Burger ein.

L.Credi war nicht gleichgültig, sie war enttäuscht, aber sie wusste, dass ihre Mission richtig war. Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrem Rücken und eine fantastische Stimme unterstützte ihr Manifest mit einem coolen Beatbox-Sound. Sie drehte sich um. Konnte es wirklich wahr sein? Das war unmöglich. Dort stand Mannheims verlorener Sohn, Xavier Naidoo! Was sollte sie von ihm denken? Als Musiker hatte er viele großartige Songs geschrieben, aber er hatte sich mit fragwürdigen Aussagen ins Abseits gestellt. Dann dröhnte Xavier ins Mikrofon: „Sieh mir noch einmal in die Augen, Baby, bevor du gehst.“ L.Credi schmolz dahin, und LEGO konnte sie gerade noch auffangen.

Die majestätische Stimme Xaviers schallte kilometerweit durch die Stadt, und nur wegen dieses eindrucksvollen Klangs strömten die Massen zur Bühne. Menschenmassen, die von weit her kamen, um L.Credis Auftritt zu erleben. Ihre Botschaft des Umweltschutzes und der Bedeutung der Bäume zog die Menschen in ihren Bann. Xavier Naidoo und L.Credi bildeten eine einzigartige Verbindung, eine kraftvolle Allianz, die das Publikum in ihren Bann zog.

Und so, inmitten der brodelnden Menschenmenge, begann L.Credi mit leidenschaftlicher Hingabe und Xavier an ihrer Seite ihr Lied zu singen. Die Stimmen verschmolzen zu einer unwiderstehlichen Symphonie des Wandels. Die Menschen, verzaubert von der magischen Atmosphäre, vergaßen für einen Moment die anderen Unterhaltungsangebote des Abends. Sie spürten die Dringlichkeit der Botschaft, die L.Credi und Xavier verkörperten. Eine Welle der Begeisterung erfasste die Menge, und der Klang ihrer Stimmen vereinte sich zu einem mächtigen Chor.

Der Auftritt wurde zum Wendepunkt, zum Schlüsselmoment, der die Menschen dazu brachte, über den Wert der Natur und die Bedeutung des Klimaschutzes nachzudenken. L.Credi und Xavier hatten die Herzen der Menschen berührt und

L.Credi wandte sich an LEGO und fragte, was sie tun sollten. Die Situation war entscheidend, und sie hatte zwei Möglichkeiten zur Auswahl:

a) Sollten sie hier bleiben und das Risiko eingehen, in eine Ecke der Verschwörungstheorien und abwegigen Ideen abzudriften?

b) Oder sollten sie versuchen, Tausende von Menschen für ihre Baumaktion zu gewinnen und eine große Feier zu veranstalten?

In ihrer Verzweiflung packten sie den Oberbürgermeister von Bielefeld in ihren Bohnenwagen und wollten einfach nur weg von diesem Ort. Zurück nach Ostwestfalen, wo sie herkamen. Doch leider sprang der Motor nicht an. Sie hatten vergessen, den schwarzen Behälter auf dem Dach des Autos mit angegorenen Sojabohnen zu füllen. Der Gastank war leer. L.Credi und LEGO waren gezwungen, die Nacht in den Quadraten von Mannheim zu verbringen, ohne einen klaren Ausweg aus ihrer misslichen Lage.

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