
Aua, das, tat weh. Mein Fuß war nach einer Bänder-Operation auf dem Weg der Besserung. Bis Mittwoch. Ich stand mitten in der neuen Wüstenei, dem Jahnplatz, und wartete in einer Reihe, auf meine Mantaplatte, deren Fettspritzer und Senfflecken Bielefelds neues Wohnzimmer verschandelte. Dafür konnte ich nichts. Die Bodenplatten des Jahnplatzes hatten sich Architekten ausgedacht. Aua, das tat weh, denn ,mit der Mantaplatte in der Hand wurde ich von einem Pedelec-Fahrer umgesäbelt,
er war ob der interessanten Fahrbahnführung vom Weg abgekommen und traf meinen lädierten Fuß. „Spinnst Du“, fuhr ich ihn an, „dass tu so weh, als wenn man einen Einkaufswagen in die Hacken kriegt!“ Peter Hagenfroh erschrak und fiel vom Fahrrad und er brach in Tränen aus. Was war passiert?
Warum weinte der Mann so bitterlich? Was war geschehen? Habe ich ein Trauma ausgelöst?
Ich sammelte meine Pommes vom Boden auf und begann, ihn damit zu füttern. Er meinte, er esse nur Fleisch, somit bekam er meine Bratwurst und wir gingen wegen der großen Hitze in den Jahnplatztunnel. Jahrelang hatte er den Weg durch diese Ladenzeile genommen und ist am dicken Mann mit dicker Drehorgel und dem dickem Bernhadiner vorbei gekommen. Diese Geschichte erzähle ich später. Peter Hagenfroh setzte sich auf den Stuhl in Ming Lings Nagelstudio. Die Vietnamesin hatte Mitleid mit uns und hoffte, es würden mehr Kunden kommen, wenn sie sehen würden, dass auch ältere Männer dort säßen.
Peter fing an zu erzählen. Peter hatte sich hoch gearbeitet. Er war zunächst Wagenschieber auf dem Parkplatz eines zentralen Supermarktes in der Stadt. In Coronazeiten aber fehlten aber Mitarbeiter in der Fleischtheke und da er immer gut die Einkaufswagen stapeln konnte, sollte er die Fleischberge stapeln, die sich wegen fehlender Kundschaft stapelten. Peter war froh. Wenn auch immer ein Kunde es dank dem Einhalten der Coronaregeln geschafft hat in den Supermarkt zu kommen, durften zwei Fragen nie fehlen. Das war die goldene Regel, die im der Marktleiter ins Gebetsbuch schrieb.:
1.“Darf es etwas mehr sein?
und
2. „Möchte das kleine Mädchen eine Scheibe Mortadella auf die Hand? Die Mutti vielleicht auch?“
Peter fand diese Fragen bescheuert und er wurde beim Abwiegen der Fleischware immer besser. Er konnte genau die gewünschten Filets auf die Waage legen. Selbst wenn Frau Müller, Leiterin der Grundschule „ums Eck“ 198 Gramm Gehacktes wollte, gelang es Peter exakt 198 Gramm auf die Waage zu legen und sogar das Mischverhältnis zwischen Schwein und Rind wurde eingehalten.
Die zweite Frage mit der Mortadella stellte auch brav, jedem mit dem Zusatz, dass Fleischessen schlecht fürs Klima und den Bauchumfang war und in der Wurst eh nur Reste verwurstet wurden. Die Kunden lehnten dankbar ab. So ging es lange gut. Peter Hagenfroh sammelte die nicht verschenkten Mortadellascheiben abends ein, konnte für 1,99 Euro die Reste der Filetspitzen und des Tafelspitzes einsammeln und ging abends in seine Wohnung. Weit musste er nicht laufen.
Er wohnte in der Ravensberger Straße. Häßlich war sie, bis die Stadt bestimmte, die Lutter wieder zu holen. Die Lutter? Der Luther? Die Lutter, Bielefelds bekanntester Bachlauf. Verschüttet. Nun sollte sie wieder oberirdisch fließen. So wurden in der Ravensberger Straße in offener Bauweise 245 Kastenprofile eingebaut, zwei Verkehrsadern mittels Bergbautechnik untertunnelt und zigtausende Kubikmetern an Erdmasse bewegt.
Das nervte Peter Hagenfroh natürlich. Jahrelanger Baulärm, aber vielleicht würde es nachher besser, schöner und vielleicht mit einem Plätzchen für seinen Liegestuhl.
Vielleicht mit Palmen und einem Sandspielplatz für seinen Sohn Theodor. Theodor musste jeden Tag vom Kindergarten abgeholt werden. Peter hatte im Supermarkt feste Arbeitszeiten. Wenn er am Wochenende mal einspringen musste, nahm er Theodor mit in den Supermarkt, platzierte ihn in der Kinderabteilung, versorgte ihn mit Bärchenwurst und wenn es dem Theodor zu langweilig wurde, lies ihn seine Kollegin, die er sehr mochte, über das Supermarkttelefon ausrufen. Alles war prima. Eine schöne Zeit sollte auf alle hinzukommen. Er erzählte mir das alles unter Tränen, dabei hätte ich heulen können, weil mein Fuß ja kaputt war.
Er zog ein Foto aus der Tasche. Es war seine Frau Elena zu sehen. Seit drei Jahren lebten sie getrennt. Es sollte sich aber zwischen dem Schreiberling und Peter eine kleine Freundschaft entwickeln und wie es dazu kam, dass Peter über meinen Fuß rollte. Wird in einer der nächsten Episoden erzählt.
