Weihnachtsmarkt 1.Teil

Der große Bielefelder Weihnachtsmarkt in der Innenstadt ist dieses Jahr nicht nur ein Fest der Lichter, sondern auch Schauplatz besonderer Geschichten. Zwischen den über 110 festlich geschmückten Buden, der spektakulären Weihnachtspyramide und den erstmals erstrahlenden LED-Eiskristallen in der Altstadt, bahnt sich ein kleines Drama an.

Hubert K., erst kürzlich nach seiner Haftentlassung wieder auf freiem Fuß, mischt sich zögernd unter das Lichtermeer. Sein Vergehen: Er hatte Vögel im Stadtgebiet Bielefeld gefüttert – ein verbotenes Tun, das ihm eine Strafe und nun eine Bewährungszeit eingebracht hat. Die Straßen, so vertraut und doch verändert, begrüßen ihn mit neuem, kaltem Glanz. Leuchtende Schneekristalle schweben über der Niedernstraße, die Fußgänger taumeln staunend durch die engen Gassen.

Doch als Hubert K. beinahe an den engstehenden, schwarz umhüllten Anschlagsverhinderungsblöcken scheitert – errichtet auf den einst freien Radwegen am Jahnplatz, so massiv und dicht wie eine moderne Kaaba – geschieht das Unerwartete: Im Getümmel entdeckt ihn ein fröhliches Kindergesicht. Es ist seine Enkelin Nataschki, die ihn voller Freude am Rand des Weihnachtsmarktes erwartet.

Mit leuchtenden Augen läuft sie auf Hubert zu und ruft: „Opa, endlich bist du wieder da!“ Ein Moment, in dem zwischen all dem vorweihnachtlichen Trubel und den Lichtern etwas aufscheint, was keine Beleuchtung ersetzen kann – die Hoffnung auf einen Neuanfang.

Währenddessen wundert sich Hubert still, ob wohl auch die Zeitung bald von den blockierten Radwegen und dem Gedränge an den Ampeln berichten wird – denn hier, auf dem hell erleuchteten Markt, liegen Freude und Ärger heute dicht beieinander…

In anderen Städten sind große, hässliche Betonklötze, die nun am Fahrbahnrand stehen. In der Branche heißen sie Anfahrschutz, in den Behörden werden sie (zum Missfallen des dänischen Unternehmens) mitunter auch Legosteine genannt – weil sie wegen der Noppen auf der Oberseite wie eine riesige Version der berühmten Bausteine aussehen. Und in Bielefefel?

Schwarze Blöcke mit Wasser drinnen.

Aber was war im letzten Jahr?

Bis tief in den Februar 2025 hinein hatten leuchtende Gestalten die Bahnhofsstraße gefüllt: glühende Wölfe, kühle Rothirsche und andere seltsame Kreaturen aus Licht erwarteten die Passanten, geschaffen vom City-Management, damit auch nach Weihnachten die Straßen nicht ins Dunkel sanken. Doch der Glanz blieb kalt.

Der Jahnplatz, einst Mittelpunkt der winterlichen Hoffnung, war unwiederkennbar.

Wo früher der große Tannenbaum gestanden und das Fest der Liebe gewärmt hatte, erhob sich nun ein fünf Meter hohes, starrendes Eichhörnchen aus Draht und LED-Licht. Es beherrschte den Platz, schimmerte wie eine Mahnung in der grauen Stadt – und spaltete die Gemüter, zerriss Erinnerungen an vergangene Jahre.

Hubert K., gebrochen von der Zeit hinter Gittern, schlich durch die engen Gassen. Die schwere Bewährung lastete auf seinen Schultern, jeder Schritt inmitten des Lichtergetriebes wirkte wie ein Gang durch eine beurteilende Menge. Die vertrauten kleinen Leucht-Eichhörnchen, einst still und warm über dem Weihnachtsmarkt, waren verschwunden. Was blieb, war Übermaß: schwarze Blöcke hatten die Radwege abgeriegelt, Fußgänger quetschten sich durch schnürende Engen, und das Licht – das Licht hatte jede Menschlichkeit verloren.

Da war die Stunde von Angelo  Zuccino. Angelo war aufstrebender Künstler. Er war neu in Bielefeld, hatte wenig Geld aber viel Talent. Sein Atelier war feucht und klein.  Er sammelte das letzte Silbergeld zusammen, ließ seine Kunstwerke auf Folien drucken und klebte sie auf die riesigen Wasserbetonpoller.

Angelo erreichte tausende von Besuchern… und wurde ein Weltstar.

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten