SB-Scanner

Gabriel Hoffer schloss die Tür ab. Es war vorbei. Er hat seinen Laden geschlossen.

Er hatte den letzten Kolonialhandel in der ostwestfälischen Oberstadt. Vom Strumpfband bis zum Pelikan-Goldfüller hat Gabriel tausende Dinge in seinem Laden. Aber die Kunden bevorzugten den amazonischen Warenfluss und die Umsätze schrumpften. Nun sollte ein asiatischer Nagelladen der Nachfolger werden. Gabriel packte die letzten Dinge auf die Ladentheke, dann in seinen Rucksack und ging nach Hause. In den Rucksack passten kleine Dinge, Kleber, Etiketten, Stifte. Seinen Computer mit dem Druckscannmultigerät hatte er eh zu Hause stehen, weil im Laden dafür kein Platz war. Er musste in seinem Geschäft jedes Gummiband, jeden Fingergut mit einem Barcode versehen.

Das war zum Einen eine Vorgabe des Finanzamtes  und zum Anderem erleichterte es ihm die Abrechnung. Das Kassenbuch war bei ihm auch schon aussortiert.

Zum Ende seiner Dienstjahre gönnte er sich einen leckeren Schnaps aus Steinhagen. Die Flasche war schnell alle.

Er war jetzt Rentner.  Also Kolonialhändler verdient man nicht so viel. Der wöchentliche Lottoeinsatz spülte maximal 14.80 Euro in die Geldbörse. Die Postbotin brachte nun das Schreiben der Rentenkasse. Es war der Schock des Lebens. Darauf noch ein Steinhäger, aber die Flasche war leer.

Nun musste er also noch mehr sparen. Margarine statt Butter, Magerquark statt Mascarpone, Dosenbier statt Craftbeer.

Nun schaute er sich im Laden um. Was machten denn die Kunden an den sogenannten SB-Kassen. Sie scannten ihre Produkte selber ein? Das machte er als Geschäftsinhaber doch immer selber. Ob da aber alles mit rechten Dingen zuging?

Expertenschätzungen gehen davon aus, dass die Diebstahlrate an SB-Kassen um 20 bis 30 Prozent höher als an regulären Kassen liegt. Händler berichten, dass die Verluste durch SB-Kassen im Bereich von ein bis zwei Prozent des Umsatzes liegen, was im Einzelhandel als sehr hoch gilt.

Gabriel probierte es selbst aus, Er schummelte. Der Laden war voll. Er drehte seinen Rücken zur Kassiererin, die gegenübersaß. Die Butter scannte er nur einmal und packte das zweite Stück direkt in seine Tasche.

Da aber auf der linken Seite acht Waren lagen, was die Waage bestätigte, mussten auf der rechten Seite acht Waren liegen. Das Stück Butter wanderte schnell wieder aus dem Rucksack zurück auf die Waage. Schnell bezahlen und weg aus dem Laden. 1,29 Euro gespart. Aber Gabriel kam auf eine Idee.

Lagen nicht zu Hause noch die Etiketten aus dem Laden?  Schnell lief Gabriel zurück in den Laden und kaufte Gegenstände, die nicht viel kosten. Ein Stück Hefe für 9 ct, einen Jogurt für 39 ct, Tomatenhack für 89 ct und vieles mehr. Zuhause scannte er die Barcodes ab, übertrug sie auf seine Etiketten. Er freute sich auf den nächsten Tag.

Im Supermarkt kommen hauptsächlich 13-stellige EAN-Codes (bzw. GTIN – Global Trade Item Number) zum Einsatz. Diese Nummer ist weltweit für jedes Produkt einzigartig. Die ersten drei Ziffern zeigen das Herstellungsland oder die Region (z.B. 400-440 für Deutschland), danach folgt die individuelle Artikelnummer und eine Prüfziffer.

Somit musste er mit seinen Etiketten immer bei derselben Kette einkaufen gehen. Aber das war ja nicht schwer.

Es war Adventszeit und es war voll. Niemals würde Gabriel samstags um 10.00 Uhr einkaufen gehen. Aber im Laden musste es voll sein. Und es war voll. Gabriel schob seinen Einkaufswagen durch die Gassen des Konsumtempels. Weihnachten stand an. Gabriel schnappte sich den Champagner, überklebt den Barcode des Schaumweines mit seiner Fake-Plakette und packte das Gesöff in den Einkaufswagen. Dasselbe mit dem Graved Lachs, Stollen, Rehrücken. Büffelmozarella und die Gans durften nicht fehlen. Schnell zur Selbstscankasse. Genüsslich zog er die Waren über den Scanner. Er genoss den Blick anderer Kunden, die dachten: was für ein reicher Schnösel.

Am Ende des Scannens spuckte ihm die Kasse einen Betrag von 29, 45 Euro aus. Der echte Warenwert lag bei 378,32 Euro. Am Ausgang den Marktleiter noch schnell grüßen und ab nach Hause.

Vom rot-gelben-Schwarz-Discounter gibt es in Bielefeld elf Filialen, die Albrechtbrüder hatten achtzehn Geschäfte. Das reichte für zwei Besuche in jedem Monat. Gabriel war glücklich.

Fortsetzung folgt.

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