Muskatnuss

Die 10-jährige Nateschki aus Bielefeld durchlebt auf dem Weihnachtsmarkt ein dramatisches Abenteuer: Sie probiert heimlich eine ganze Muskatnuss – etwas, das kaum jemand wagen würde. Die Nuss war als Deko an einem Stand mit Adventskränzen der Holzlisl-Gundi abgelegt. Nateschki stibitzee sie. Was zuerst harmlos scheint, wird schnell gefährlich. In Muskatnüssen stecken Stoffe wie Myristicin, Elemicin und Safrol, die bei hoher Dosierung Halluzinationen, Euphorie und Benommenheit auslösen können.

Bald darauf spürt Nateschki heftiges Unwohlsein. Ihr Bauch beginnt zu schmerzen, der Kopf dröhnt, das Herz rast. Myristicin verwandelt sich in der Leber zu einer amphetaminähnlichen Substanz, sodass schnell Symptome wie Übelkeit, Magenschmerzen, Schwindel, Erbrechen und Halluzinationen auftreten können – gerade für Kinder reichen schon kleine Mengen dafür aus. Für Erwachsene beginnt das Risiko ab etwa einer bis zwei ganzen Nüssen, für Kinder wie Nateschki kann schon eine Nuss bedenklich werden. Die Beschwerden werden so stark, dass ihr Opa Huber K. den Rettungsdienst ruft.
Sollte Hubert K. seiner Enkelin ein Schuss Glühwein geben?

Ein Deutscher trinkt im Durchschnitt etwa 0,5 bis 0,6 Liter Glühwein pro Jahr, basierend auf einem Gesamtverbrauch von rund 50 Millionen Litern jährlich bei etwa 84 Millionen Einwohnern. Diese Menge konzentriert sich stark auf die Weihnachtszeit (November bis Januar), wo Haushalte im Schnitt 1,2 bis 1,5 Liter kaufen.
Hubert K. flöste Nateschki Kinderpunch ein, das milderte die Sypmtome. Nateschki kam nach einer Nacht aus dem Krankenhaus nach Hause.

Zum Glück greifen viele bei Muskatnuss nur zu kleinen Mengen als Gewürz; so bleiben sie sicher – doch das Abenteuer auf dem Weihnachtsmarkt zeigt: Eine ganze Nuss kann für Kinder schnell gefährlich werden, und die Folgen reichen von Halluzinationen und Krämpfen bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen.

Auch bei anderen Lebensmitteln lauert Risiko: Der berühmte Casu Marzu aus Sardinien enthält lebende Maden, die für das würzige Aroma sorgen, aber im Darm Schaden anrichten können, falls sie lebendig verschluckt werden. Solche kulinarischen Abenteuer sind wahrlich nichts für Unvorsichtige.

Die Geschichte von Nateschki zeigt: Große Neugier kann zu großen Gefahren führen – und manchmal entscheidet schnelles Handeln über ein gutes Ende!

Weihnachtsmarkt 1.Teil

Der große Bielefelder Weihnachtsmarkt in der Innenstadt ist dieses Jahr nicht nur ein Fest der Lichter, sondern auch Schauplatz besonderer Geschichten. Zwischen den über 110 festlich geschmückten Buden, der spektakulären Weihnachtspyramide und den erstmals erstrahlenden LED-Eiskristallen in der Altstadt, bahnt sich ein kleines Drama an.

Hubert K., erst kürzlich nach seiner Haftentlassung wieder auf freiem Fuß, mischt sich zögernd unter das Lichtermeer. Sein Vergehen: Er hatte Vögel im Stadtgebiet Bielefeld gefüttert – ein verbotenes Tun, das ihm eine Strafe und nun eine Bewährungszeit eingebracht hat. Die Straßen, so vertraut und doch verändert, begrüßen ihn mit neuem, kaltem Glanz. Leuchtende Schneekristalle schweben über der Niedernstraße, die Fußgänger taumeln staunend durch die engen Gassen.

Doch als Hubert K. beinahe an den engstehenden, schwarz umhüllten Anschlagsverhinderungsblöcken scheitert – errichtet auf den einst freien Radwegen am Jahnplatz, so massiv und dicht wie eine moderne Kaaba – geschieht das Unerwartete: Im Getümmel entdeckt ihn ein fröhliches Kindergesicht. Es ist seine Enkelin Nataschki, die ihn voller Freude am Rand des Weihnachtsmarktes erwartet.

Mit leuchtenden Augen läuft sie auf Hubert zu und ruft: „Opa, endlich bist du wieder da!“ Ein Moment, in dem zwischen all dem vorweihnachtlichen Trubel und den Lichtern etwas aufscheint, was keine Beleuchtung ersetzen kann – die Hoffnung auf einen Neuanfang.

Währenddessen wundert sich Hubert still, ob wohl auch die Zeitung bald von den blockierten Radwegen und dem Gedränge an den Ampeln berichten wird – denn hier, auf dem hell erleuchteten Markt, liegen Freude und Ärger heute dicht beieinander…

In anderen Städten sind große, hässliche Betonklötze, die nun am Fahrbahnrand stehen. In der Branche heißen sie Anfahrschutz, in den Behörden werden sie (zum Missfallen des dänischen Unternehmens) mitunter auch Legosteine genannt – weil sie wegen der Noppen auf der Oberseite wie eine riesige Version der berühmten Bausteine aussehen. Und in Bielefefel?

Schwarze Blöcke mit Wasser drinnen.

Aber was war im letzten Jahr?

Bis tief in den Februar 2025 hinein hatten leuchtende Gestalten die Bahnhofsstraße gefüllt: glühende Wölfe, kühle Rothirsche und andere seltsame Kreaturen aus Licht erwarteten die Passanten, geschaffen vom City-Management, damit auch nach Weihnachten die Straßen nicht ins Dunkel sanken. Doch der Glanz blieb kalt.

Der Jahnplatz, einst Mittelpunkt der winterlichen Hoffnung, war unwiederkennbar.

Wo früher der große Tannenbaum gestanden und das Fest der Liebe gewärmt hatte, erhob sich nun ein fünf Meter hohes, starrendes Eichhörnchen aus Draht und LED-Licht. Es beherrschte den Platz, schimmerte wie eine Mahnung in der grauen Stadt – und spaltete die Gemüter, zerriss Erinnerungen an vergangene Jahre.

Hubert K., gebrochen von der Zeit hinter Gittern, schlich durch die engen Gassen. Die schwere Bewährung lastete auf seinen Schultern, jeder Schritt inmitten des Lichtergetriebes wirkte wie ein Gang durch eine beurteilende Menge. Die vertrauten kleinen Leucht-Eichhörnchen, einst still und warm über dem Weihnachtsmarkt, waren verschwunden. Was blieb, war Übermaß: schwarze Blöcke hatten die Radwege abgeriegelt, Fußgänger quetschten sich durch schnürende Engen, und das Licht – das Licht hatte jede Menschlichkeit verloren.

Da war die Stunde von Angelo  Zuccino. Angelo war aufstrebender Künstler. Er war neu in Bielefeld, hatte wenig Geld aber viel Talent. Sein Atelier war feucht und klein.  Er sammelte das letzte Silbergeld zusammen, ließ seine Kunstwerke auf Folien drucken und klebte sie auf die riesigen Wasserbetonpoller.

Angelo erreichte tausende von Besuchern… und wurde ein Weltstar.

Vorlesetag

Am Welttag des Vorlesens herrschte feierliche Aufregung in der Grundschule Hasenfrisch. Bunte Plakate schmückten die Flure, und aus mehreren Räumen drangen leises Kichern und gespanntes Warten. An diesem Tag war Bertha K. eingeladen worden, der 1. Klasse einen besonderen Besuch abzustatten.

Die Lehrerin, Frau L. Credi, begrüßte Bertha herzlich. Für die Kinder stellte sie eine gemütliche Leseecke mit bunten Kissen und Decken bereit. Bertha brachte nicht nur ihre Lieblingsbücher, sondern auch eine große Portion Lebensfreude mit. In ihrer ruhigen, warmen Stimme erzählte sie den Kindern von fernen Ländern und ihrem eigenen Leben zwischen Russland und Bielefeld.

Dann schlug sie eines der Bücher auf und begann ein russisches Märchen zu lesen. Bertha kam aus Jrdsowks.

Die Kinder lauschten gebannt, viele schlossen die Augen, um die Zauberwälder und mutigen Tiere vor sich zu sehen. Die kleine Nateschki, sechs Jahre alt, war besonders neugierig: Sie kannte Russisch von zu Hause und kletterte spontan auf Berthas Schoß, schmiegte sich an sie und hörte gebannt zu. Ihre dunklen Augen leuchteten vor Freude jedes Mal, wenn Bertha ein schwieriges russisches Wort ganz langsam und feierlich sprach.

L.Credi bemerkte lächelnd, wie die Generationen zusammenfanden: Die Geschichten verbanden die Kinder miteinander – und auch mit Bertha, die an diesem Tag viel mehr als nur Märchen schenkte. Freude, Wärme und eine Erinnerung daran, wie viel Geborgenheit schon ein gutes Wort und eine gute Geschichte bringen können.

So wurde der Welttag des Vorlesens für alle zu einem kleinen, unvergesslichen Fest – und Bertha verließ die Schule mit einem Herzen, das noch lange von den Kinderstimmen und dem Gefühl der Verbundenheit nachklang.

Während Bertha in der Leseecke den Kindern russische Märchen vorlas, stand draußen auf dem Schulhof ihr Mann Hubert K. Er hatte als Überraschung für die Schule einen ganzen Korb voller selbstgemachter Meisenknödel mitgebracht, die er kunstvoll zusammengebunden und liebevoll verpackt hatte.

Am Rand des Schulgartens bildete sich schnell eine kleine Traube neugieriger Kinder. Besonders drei Jungen entdeckten die bunten Meisenknödel zuerst und begannen sofort, sich heftig darum zu streiten: Wer dürfte den ersten aufhängen? Wessen Baum wäre am schönsten geschmückt? Hubert musste schmunzeln über den kindlichen Eifer. Mit einem Augenzwinkern schlug er ihnen vor, die Knödel gemeinsam im Schulgarten zu verteilen – und sich zu merken, wie schön es ist, wenn Menschen und Tiere sich begegnen, ganz ohne Streit.

Am Ende der Pause halfen alle zusammen, und in den Ästen der jungen Bäume im Schulgarten hingen bald bunte Knödel. Sogar die Jungen, die sich eben noch gezankt hatten, lachten miteinander. Hubert winkte Bertha durch das Klassenzimmerfenster zu – und beide spürten, wie eine kleine Geste manchmal große Freude bringen kann.

Plötzlich, als die Sonne gerade durch die kahlen Äste des Schulgartens blitzte und die Kinder lachten, rollte ein silberfarbenes Fahrzeug der Stadt Bielefeld auf den Schulhof. Zwei Beamte des Ordnungsamtes, in dunklen Uniformen und mit ernsten Mienen, schritten entschlossen auf Hubert zu. Die Idylle wurde augenblicklich von einer eisigen Stille verdrängt.

„Sind Sie Herr K.?“ fragte der größere der beiden, während der andere bereits sein Klemmbrett zückte. Hubert, noch mit einem Meisenknödel in der Hand, blickte irritiert auf. „Wissen Sie, dass das Verteilen nicht-veganer Meisenknödel in Bielefeld seit der letzten Stadtratssitzung strengstens untersagt ist?“

Die Kinder, die eben noch um die Knödel gestritten hatten, wichen erschrocken zurück. Zwei Mädchen hielten sich an Berthas Rockzipfel fest, Nateschki begann leise zu weinen. Noch während Hubert erklären wollte, er habe nur etwas Gutes tun wollen, klickten die Handschellen.

„Sie sind vorläufig festgenommen wegen Verstoßes gegen die Stadtsatzung und unerlaubter Abgabe tierischer Produkte an Vögel in öffentlichem Raum“, verkündete der Beamte kalt. Hubert blickte zu Bertha, deren Miene erstarrte – als hätte man die komplette Wärme aus diesem Tag gesogen.

Das einst fröhliche Schulfest war mit einem Schock beendet. Die Kinder standen still und ungläubig daneben, während Hubert abgeführt wurde. Durch das offene Fenster der Klasse fiel Berthas Märchenbuch zu Boden. Tränen standen in den Augen der Kinder – und in diesem Moment schien nicht nur der Schulgarten, sondern ganz Bielefeld ein klein wenig kälter zu werden.

Bertha und die Meisen

Der Wind fegte eisig durch die Straßen von Bielefeld, als Hubert K. an jenem Morgen der Rolandstraße entlangging. Die Stadt, die ihm seit Jahrzehnten eine Heimat war, wirkte an diesem Tag kälter und fremder als je zuvor. Mit jedem Schritt hoffte Hubert darauf, einen neuen Anfang zu finden, vielleicht sogar einen Sinn – stattdessen stoppte er abrupt. Vor seinen Füßen lag eine tote Meise, das Federkleid vom Frost erstarrt. Ein Stück Leben, ausgelöscht und übersehen zwischen Bordstein und Beton. Was war nur aus Bielefeld geworden?

Für Bertha K., die vor 30 Jahren aus Russland nach Bielefeld kam, war die Stadt einst ein Symbol für Hoffnung gewesen. Mit Stanislav, ihrem Mann, fand sie hier Zuflucht, Beständigkeit, das leise Glück im täglichen Miteinander. Doch seit Stanislavs Tod vor fünf Jahren lag auf Berthas Herz ein Schatten. Ihr Fenster zur Rolandstraße wurde zum Beobachtungsposten: Sie fütterte Vögel – Meisen, Spatzen, Amseln – schenkte ihnen jenen Funken Wärme, den sie in Bielefeld oft vermisste. Jeder Meisenknödel war ein Zeichen für Zuversicht, für Mitmenschlichkeit in der kalten Großstadt.

Doch die Verordnungen der Stadt Bielefeld holten sie ein. Seit dem Sommer 2025 steht mit nüchterner Strenge im Gesetz: Wer wildlebende Tiere füttert, verstößt gegen das Fütterungsverbot. Aus Sorge um die Taubenpopulation wurde in Vierteln wie dem Siegfriedplatz, mitten im Herzen von Bielefeld, jede Vogelfütterung kriminalisiert. Die Traditionen, die Herzen – alles sollte durch Ordnung ersetzt werden.

Bertha, gewohnt an russische Direktheit und Widerstandskraft, fütterte trotzdem, heimlich und mit Herzklopfen. Doch die tote Meise, gefunden von Hubert, wurde zum Mahnmal: Eine Stadt, die so sehr versucht, alles zu regeln, verliert das Gespür für ihre schwächsten Bewohner, die Menschen und Tiere gleichermaßen.

Hubert rang mit sich. Sollte er Bertha verraten? Sollte er Teil dieses Systems werden? Das Mitgefühl triumphierte. Statt einer Anzeige brachte er Bertha einen heißen Tee und einen alten Gedichtband in russischer Sprache vorbei. Gemeinsam verbrachten sie die langen Abende, während draußen über Bielefeld die Winterkälte immer tiefer kroch. Sie diskutierten, lachten, weinten – und erkannten: Das echte Bielefeld sind nicht Verordnungen und Strafen, sondern die Menschen, die sich umeinander kümmern.

Bertha und Hubert fanden inmitten von starren Regeln und frostigen Straßen zueinander. Vielleicht war es Schicksal, dass gerade eine tote Meise sie verband – als stummer Zeuge dafür, dass man im Herzen von Bielefeld immer noch Liebe und Menschlichkeit finden kann, wenn man den Mut dazu hat. Hubert K. und Bertha K. nahmen einen neuen Nachnamen an. Kraft wollten sie nun heißen. Und es war Zeit der Enkelin einen Brief zu schreiben.

Bundeswehr

Am Büdchen traf er seinen alten Freund Hubert K. wieder. Ein Pilsbier schmeckte immer.

Gabriel hatte Angst. Er wollte nicht vom Schwarz-Discounter verfolgt werden.

Hubert K. jammerte über die hohen Kosten. Er brauchte einen neuen Rasierapparat.

300 Euro sollte er kosten. Bingo. Gabriel zog einen Packen leerer Etiketten aus der Tasche.

Er sagte zu Hubert K:

 „Du gehst in den Mediusladen, kaufst zehn Gegenstände für kleines Geld. Ich drucke deren Barcodes auf meine Etiketten. Du gehst in den Laden, packst die anderen Label drauf und kaufst zehn Produkte, IPhone, Kitchenaids, Kaffeevollautomaten. Da kommst du locker auf 5000 Euro.  Danach schmeißt du dein Handy in den Ententeich! Als Gebühr gibst du mit zehn Prozent der Warensumme. Überlege mal. Das ist doch gut, oder?“

Sollte Hubert K. seinem Freud vertrauen? Er ist innerlich zerrissen zwischen seiner lebenslangen Freundschaft mit Gabriel und einer mysteriösen Aufgabe, die weit über gewöhnlichen Diebstahl hinausgeht. Vielleicht arbeitet er für eine verborgene Organisation, die das Ungleichgewicht in der Handelswelt korrigieren will oder gegen korrupte Großkonzerne kämpft – auf eine Weise, die an moderne Robin-Hood-Geschichten erinnert.

Hubert K. steht vor einer schwierigen Entscheidung: Sein Vertrauen zu Gabriel wird auf die Probe gestellt, denn das vorgeschlagene Vorgehen mit den gefälschten Barcode-Etiketten ist hochgradig riskant und illegal.

Moderne Sicherheitsetiketten setzen auf fälschungssichere Techniken wie holografische Merkmale, versteckte Laser-Codes, RFID-Chips, Mikrotext oder verschlüsselte Barcodes, die sich nicht einfach kopieren lassen. Das bedeutet: Die Manipulation von Barcodes ist technisch anspruchsvoll und wird von den Firmen mit immer ausgefeilteren Mitteln überwacht und bekämpft, um Betrug zu verhindern.

Hubert K. nahm die Etiketten an. Er hatte einen Plan.

Sollte doch sein Enkel Bertoli das Ganze durchführen. Er war jung und digital aufgewachsen. Hubert K. nicht.

Hubert K.  was für ein blöder Name. Hieß nicht ein Sänger mal so? Egal. Sein richtiger Name war Hubert Kuul. Mit H. es gab ständiges Gelächter, wenn er seinen Namen sagte. Ob er frieren würde? Seinen Sohn nannte er Berti. „Bert“ musste in der Familientradition vorkommen, aber das sein Enkel nun wie eine Nudelmarke hieß….

Bertoli K. nahm die Etiketten seinen Opas gerne an.  Vielleicht konnte er damit etwas machen. Aber für ihn standen wichtige Tage an. Er wurde bald 18 Jahre alt. Und er wurde gemustert. Beim Kreiswehrersatzamt. In Bielefeld. In der Nähe des Naturkundemuseums. Da war der Opa auch. Hubert K. gehörte zu den Babyboomern, musste sich der Musterung in Feinripp stellen. Er wurde aber aussortiert. T5.. untauglich. Wegen einer Operation. Es gab ja genügend junge Männer. Hubert K. brauchte auch kein Zivildienst schieben. Aber Bertoli hatte es erwischt.

Aktuell soll die Soldatentruppe auf mindestens 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten anwachsen, dazu kommen 200.000 Reservistinnen und Reservisten. Für das Jahr 2031 ist vorgesehen, jährlich bis zu 40.000 neue Rekruten (Wehrdienstleistende) zu gewinnen.

Ab 2026 soll der Neue Wehrdienst eingeführt werden, bei dem alle 18-jährigen Männer eines Jahrgangs zur Musterung eingeladen werden, um den Pool potenzieller Rekruten zu ermitteln. Das soll sicherstellen, dass mehrere Tausend Freiwillige pro Jahr für den Wehrdienst rekrutiert werden können.

Zusammengefasst heißt das: Die Bundeswehr benötigt derzeit und in naher Zukunft jährlich zwischen 20.000 und 40.000 Rekruten.

12648 war seine persönliche Losnummer. Er wurde gezogen.

 Losglück: „Sie sind in der Bundeswehr“. Das wird ein Abenteuer, so wie ein Computerspiel oder wie Squid Games. Und wenn man länger dort blieb, gab es noch einen Führerschein gratis dazu.

Bertoli wollte nach der Schule eigentlich ein Jahr lang Meerschweinchen in Lima züchten, stand aber nun im Camouflage T-Shirt vor seinem Opa.

Bertoli wurde auf das Grundgesetz vereidigt. Er nahm das sehr ernst. Aber das bedeutete auch, dass er die Etiketten für den Mediusmarkt als guter Soldat nicht annehmen durfte.

Bertoli Kuul entsorgte die Etiketten auf dem Wertstoffhof Nord. Ihm ging es gut. Sein Opa aber saß Sonntagmorgen immer am Frühstückstisch und schnitt die Rabattscheine aus den Wochenprospekten der Discounter aus. Irgendwie musste man über die Runden kommen. Vielleicht doch gefakte Aufkleber von Gabriel nehmen?

Schwarz

Guten Tag, spreche ich mit Herrn ……?“ fragte Naina Sharma den Hörer am anderen Ende der Leitung.

· Naina Sharma arbeitete in Bielefeld. Sie war seit wenigen Jahren in Bielefeld. Sie wohnte früher auf einer indischen Insel, Neil Island. Neil Island (Shaheed Dweep), ebenfalls in den Andamanen, mit einer kleineren Einwohnerzahl und ruhigerem Ambiente. Naima hatte eine ältere Schwester. Anaya Sharma war zur Welt gekommen mit einer rüsselartigen Nase. Man munkelt, dass das kein Schicksal der Götter war, sondern Auswirkungen von Atomtests sind. Shaheed Dweep ist nur 6000 km vom Bikini-Atoll weg. Hier fanden zwischen 1946 und 1958 zahlreiche US-Atomtests statt, darunter die berühmte Wasserstoffbombe „Castle Bravo“ 1954, die eine enorme Zerstörungskraft hatte. Das Atoll wurde dadurch stark radioaktiv verseucht und die Bewohner mussten evakuiert werden.

Auf Shaheed Dweep stieg langsam das Wasser durch die Klimaerwärmung. Die Großmächte wollten weitere Atomtests in ihrer Region durchführen und Naima zog nach Bangalore. Sie wollte keine Rüsselnase.

Dort jobbte sie in einem Call-Center. Es war okay. Sie sollte zum einen für europäische Kunden das Lieferkettengesetz durchforschen und Verbraucheranfragen für den asiatischen Bereich klären. Zudem die Daten dem BIG BOY geben, einer mächtigen KI. So erfuhr sie, dass in Deutschland viele Haustiere leben. Im Durchschnitt geben Deutsche monatlich etwa 40 bis 70 Euro für ihre Haustiere aus, wobei die Ausgaben je nach Tierart variieren. Hunde sind am teuersten mit durchschnittlichen Kosten von etwa 110 Euro pro Monat, Katzen kosten etwa 60 bis 70 Euro monatlich. Kleinere Haustiere wie Kaninchen oder Meerschweinchen sind günstiger, während Vögel mit rund 7 Euro pro Monat zu den kostengünstigeren Haustieren gehören.

Diesem Land muss es gut gehen. Da will ich hin. Naima hatte Geld gespart. Bis Warschau ging die chinesische Seidenstraße. 7500 km. Von da mit dem Flixbus. Passt.

Sie fing beim Schwarz-Discounter an zu arbeiten. Zuerst hieß es nur: MOPRO vorziehen. Dass Europäer so viele Milchprodukte trinken, war ihr neu. Dann durfte Naima an der Kasse arbeiten und einige Zeit später war sie Filialleiterin. Später war sie Buchhalterin der elf Schwarz-Discounter der Stadt. Der Discounter hatte Großes mit ihr vor. Sie sprach die Sprachen Asiens und man brauchte Kontakte nach China, Indien und Indonesien. Naima machte die Monatsabrechnung. In allen elf Läden gab es seit längerer Zeit ein Minus von fast 5000 Euro jeden Monat. Wie konnte das sein?

Naima ordnete eine Inventur an. Die Neffen der Grundschullehrerin L. Credi stockten durch das Zählen von Klopapier und Bauerntrunk ihr Taschengeld auf. Naima bekam die Zahlen online. Wieso waren demnach noch Champagner, Gänse, Wachtelbrüste tonnenweise im Laden und Hefe, Erbsen in Dosen und 19ct-Joghurts ständig ausgebucht?

Naima verglich die Einkaufslisten mit den Handynummern. An den SB-Kassen musste man eine Handynummer eingeben, um Rabatte zu bekommen. Und komisch, ein Kunde kaufte immer das Gleiche ein. Wer war dieser Mensch? Mann oder Frau? Die Telefonnummer war ge-ixt. Da stand nur 016745xxxx. Aber immer wieder. Ja, Naima war Chefin, aber sie musste das Gesetz brechen. Sie konnte die XXX entfernen und das Datenschutzgesetz brechen. Sie könnte gefeuert werden oder einen großen Sprung auf der Karriereleiter machen. Was sagt man in Deutsch? „Einmal ist keinmal.“

Ursprünglich bezog es sich vermutlich auf alte deutsche Gerichtsverfahren, in denen eine einmalige Vorladung oft als ungültig galt, wenn der Angeklagte nicht erschien. Es kann bedeuten, dass einmalige Fehler tolerierbar sind oder dass einmaliges Verhalten noch keine Gewohnheit darstellt. Es wird auch verwendet, um zu sagen, dass einmal zu wenig ist, um einen dauerhaften Effekt zu erzielen. Zusammengefasst heißt es: Ein einzelnes Ereignis zählt nicht wirklich oder ist unbedeutend, wenn es nicht wiederholt wird – einmal ist keinmal.

Naima änderte die Software, sah den Klarnamen und tippte die Nummer in ihr Dienstgerät.

Es klingelte. Gabriel Hoffer nahm das Gespräch an. Er nannte seinen Nachnamen. Da stockte ihm der Atem.

„Guten Tag, Naima Sharma am Apparat, Schwarz-Discounter -AG. Spreche ich mit Gabriel Hoffer?“ fragte die Stimme.

Gabriel donnerte sein iPhone an die Wand.

SB-Scanner

Gabriel Hoffer schloss die Tür ab. Es war vorbei. Er hat seinen Laden geschlossen.

Er hatte den letzten Kolonialhandel in der ostwestfälischen Oberstadt. Vom Strumpfband bis zum Pelikan-Goldfüller hat Gabriel tausende Dinge in seinem Laden. Aber die Kunden bevorzugten den amazonischen Warenfluss und die Umsätze schrumpften. Nun sollte ein asiatischer Nagelladen der Nachfolger werden. Gabriel packte die letzten Dinge auf die Ladentheke, dann in seinen Rucksack und ging nach Hause. In den Rucksack passten kleine Dinge, Kleber, Etiketten, Stifte. Seinen Computer mit dem Druckscannmultigerät hatte er eh zu Hause stehen, weil im Laden dafür kein Platz war. Er musste in seinem Geschäft jedes Gummiband, jeden Fingergut mit einem Barcode versehen.

Das war zum Einen eine Vorgabe des Finanzamtes  und zum Anderem erleichterte es ihm die Abrechnung. Das Kassenbuch war bei ihm auch schon aussortiert.

Zum Ende seiner Dienstjahre gönnte er sich einen leckeren Schnaps aus Steinhagen. Die Flasche war schnell alle.

Er war jetzt Rentner.  Also Kolonialhändler verdient man nicht so viel. Der wöchentliche Lottoeinsatz spülte maximal 14.80 Euro in die Geldbörse. Die Postbotin brachte nun das Schreiben der Rentenkasse. Es war der Schock des Lebens. Darauf noch ein Steinhäger, aber die Flasche war leer.

Nun musste er also noch mehr sparen. Margarine statt Butter, Magerquark statt Mascarpone, Dosenbier statt Craftbeer.

Nun schaute er sich im Laden um. Was machten denn die Kunden an den sogenannten SB-Kassen. Sie scannten ihre Produkte selber ein? Das machte er als Geschäftsinhaber doch immer selber. Ob da aber alles mit rechten Dingen zuging?

Expertenschätzungen gehen davon aus, dass die Diebstahlrate an SB-Kassen um 20 bis 30 Prozent höher als an regulären Kassen liegt. Händler berichten, dass die Verluste durch SB-Kassen im Bereich von ein bis zwei Prozent des Umsatzes liegen, was im Einzelhandel als sehr hoch gilt.

Gabriel probierte es selbst aus, Er schummelte. Der Laden war voll. Er drehte seinen Rücken zur Kassiererin, die gegenübersaß. Die Butter scannte er nur einmal und packte das zweite Stück direkt in seine Tasche.

Da aber auf der linken Seite acht Waren lagen, was die Waage bestätigte, mussten auf der rechten Seite acht Waren liegen. Das Stück Butter wanderte schnell wieder aus dem Rucksack zurück auf die Waage. Schnell bezahlen und weg aus dem Laden. 1,29 Euro gespart. Aber Gabriel kam auf eine Idee.

Lagen nicht zu Hause noch die Etiketten aus dem Laden?  Schnell lief Gabriel zurück in den Laden und kaufte Gegenstände, die nicht viel kosten. Ein Stück Hefe für 9 ct, einen Jogurt für 39 ct, Tomatenhack für 89 ct und vieles mehr. Zuhause scannte er die Barcodes ab, übertrug sie auf seine Etiketten. Er freute sich auf den nächsten Tag.

Im Supermarkt kommen hauptsächlich 13-stellige EAN-Codes (bzw. GTIN – Global Trade Item Number) zum Einsatz. Diese Nummer ist weltweit für jedes Produkt einzigartig. Die ersten drei Ziffern zeigen das Herstellungsland oder die Region (z.B. 400-440 für Deutschland), danach folgt die individuelle Artikelnummer und eine Prüfziffer.

Somit musste er mit seinen Etiketten immer bei derselben Kette einkaufen gehen. Aber das war ja nicht schwer.

Es war Adventszeit und es war voll. Niemals würde Gabriel samstags um 10.00 Uhr einkaufen gehen. Aber im Laden musste es voll sein. Und es war voll. Gabriel schob seinen Einkaufswagen durch die Gassen des Konsumtempels. Weihnachten stand an. Gabriel schnappte sich den Champagner, überklebt den Barcode des Schaumweines mit seiner Fake-Plakette und packte das Gesöff in den Einkaufswagen. Dasselbe mit dem Graved Lachs, Stollen, Rehrücken. Büffelmozarella und die Gans durften nicht fehlen. Schnell zur Selbstscankasse. Genüsslich zog er die Waren über den Scanner. Er genoss den Blick anderer Kunden, die dachten: was für ein reicher Schnösel.

Am Ende des Scannens spuckte ihm die Kasse einen Betrag von 29, 45 Euro aus. Der echte Warenwert lag bei 378,32 Euro. Am Ausgang den Marktleiter noch schnell grüßen und ab nach Hause.

Vom rot-gelben-Schwarz-Discounter gibt es in Bielefeld elf Filialen, die Albrechtbrüder hatten achtzehn Geschäfte. Das reichte für zwei Besuche in jedem Monat. Gabriel war glücklich.

Fortsetzung folgt.

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