Sankt Martin – Bitcoin

Wie konnte er die Situation wieder ins Lot bringen? Hanno Boddenstedts Vater, Heinz, ein Rentner aus einem netten Stadtteil in Bielefeld, hatte die Nachbarskinder Milli und Molli am Halloweenabend mit einem Schlachtermesser erschreckt. Unabsichtlich. Hier der Vorbericht.

November – Halloween – Gerwin Heinrich (home.blog)

Nun galt es, die Wogen zu glätten. Hier setzt die Geschichte fort.

Heinz hatte einige Tage Zeit zwischen Halloween und St. Martin, und er wollte sich gut vorbereiten, für den Fall, dass am Heiligen Abend Kinder mit ihren LED-Butterbrotpokemonlampen vor seiner Tür stehen würden. Kerzen kamen schon lange nicht mehr zum Einsatz, nachdem der Brandschutz in der Fredvomjupiter-Grundschule alle Bastelaktivitäten von Lehrerin Gitta Gabelfuß untersagt hatte.

Während die Kinder in Köln den edlen St. Martin feierten, gab es in Ostwestfalen unterschiedliche Herangehensweisen an das Klingeln an Haustüren. Die Katholen zogen los, weil Martin nun bei Gott zu den Auserwählten gehörte. Im Jahr 2004 aktualisierte die römisch-katholische Kirche das Martyrologium Romanum, in dem 6650 Heilige und Selige sowie 7400 Märtyrer verzeichnet sind. Die genaue Anzahl aller Heiligen und Seligen bleibt unbekannt. Die Protestanten hingegen zogen mit Leuchtstäben zu Ehren von Martin Luther umher. Zwar war er kein Heiliger, aber Bielefeld war eben protestantisch. Punkt. Und die anderen? Die Ungläubigen? In Bielefeld gab es auch noch die Lutter. Aber zu Ehren eines Baches herumzulaufen hätte höchstens das Tiefbauamt erfreut, die dieses Rinnsal zu einer neuen Chillout-Ehrenpromenade ausbauten.

Doch Heinz Boddenstedt war das alles egal. Er musste sicherstellen, dass die Menschheit weiterlebt und die Kinder alte Traditionen fortführen. Dann klingelte es.

„Latäääärne, Latäääärne, Sonnä, Mond und Stärne“ hallte es aus den Mündern der vier Kinder, die mit Pennywise-Fratzenlaternen vor der Tür standen. Eigentlich war es recht praktisch, wenn man Halloween und St. Martin mit solchen Laternen verbinden konnte. Warum konnten die Kinder heutzutage nicht mehr singen? Lag es am Corona-Singverbot? Oder konnten die Grundschullehrerinnen nicht mehr singen? War Rolf Zuckowski in Rente gegangen oder gar gestorben? Das wollte Heinz nicht wissen.

Heinz selbst war das alles egal. Er rannte in die Küche, hatte kleine Zellophantütchen gepackt mit Mandelkern, Haselnuss, gespaltenen Walnüssen und Zimtecken. Nüsse galten als edel. Jeden zweiten Winterabend schaute Heinz sich „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ an. Als er den Kindern seine Nussmischung überreichen wollte, sagte einer der Martinssinger: „Ey, ich habe eine Nussallergie. Wenn ich auch nur ein Fitzelchen davon esse, sterbe ich an einem anaphylaktischen Schock. Das ist die maximale Reaktion einer anaphylaktischen Reaktion, also der Überempfindlichkeitsreaktion des Immunsystems auf eine bestimmte Substanz und akut lebensbedrohlich. Willst du mich umbringen?“

Oh nein, dachte Heinz. Er wollte nicht im Gefängnis landen. „Hast du keine Milchschnitte? Oder ein Kinder-Joy?“ fragte der Pennywise-Fratzenlaterneträger. Das Wort „Überraschungsei“ wurde abgeschafft, weil Ferrero auch in Amerika tätig sein wollte. Ein US-Gesetz von 1938 untersagt Süßigkeiten, die nicht essbare Objekte enthalten – ein Ausschlusskriterium für das Überraschungs-Ei. Deshalb heißt es nicht mehr Ei, sondern Joy.

Das wusste Heinz natürlich nicht. Wieder konnte er keine Kinder glücklich machen. Zehn Minuten später klingelte es erneut.

Zehn Minuten später ertönte erneut das Klingeln.

„Durch die Straßen auf und nieder leuchten die Laternen, wieder rote, gelbe, grüne, blaue, lieber Martin, komm und schaue!“ Heinz war zwar nicht Martin, öffnete jedoch trotzdem die Tür, dieses Mal besser vorbereitet. Es fiel ihm schwer, als er in den Keller ging, um die echten Glastonbury-Weingummis hochzuholen, die ihm sein Schwager John McMuffin geschickt hatte. Megalecker. Aber nach dem Reinfall mit den Nüssen sollte nun Süßigkeiten die Kinder erfreuen.

Rasch lief er mit den Weingummis zur Tür, als ein Kind mit einer Biene Maja-Laterne aus gebrauchten Tetrapaks fragte, ob in dem Gummizeug Schwein enthalten sei, da Gelatine ja zur Herstellung von Haribos verwendet werde. Nun gibt es das V-Label auf den Harald Rieger Bonn-Beuteln. Dank einheitlicher Kriterien und regelmäßiger Kontrollen ist es eine international anerkannte Kennzeichnung für vegane und vegetarische Produkte. Es wird von einer unabhängigen Stelle vergeben und ermöglicht es der Firma, auch Veganer und Muslime zu beglücken.

„Ist da Schwein drin?“ wiederholte das Kind mit der Biene Maja-Laterne. Heinz verstand immer noch nicht. Er schaute auf die Verpackung und antwortete: „Nein, da ist kein Schwein drin. Das ist kein Schweingummi. Das ist Weingummi! Sehr lecker.“

„Iiihhh, der alte Mann will uns Alkohol geben“, schrien die Kinder und rannten zur Helikoptermama, die sofort die Suchtberatungsstelle anrufen wollte. Heinz war frustriert. Keine Nüsse, keine Weingummis. Was nun?

Es klingelte ein drittes Mal.

Vor ihm stand ein Junge im Darth Vader-Anzug. In einer Hand ein Laserschwert, in der anderen ein Handy. Darth Vader-Junior tippte auf das Handy, und es erklang ein altes Lied, das Heinz aus seiner Kindheit kannte: „Ich bin ein kleiner König, gebt mir nicht zu wenig, gebt mir einen Silberling, der froh in meiner Tasche klingt.“

Heinz wollte es nun wissen. Kam dieser Sankt-Martin-Star Wars-Junge wirklich aus der Zukunft? War es ein Enkel von Elon Musk? Arm sah er nicht aus. Brauchte er wirklich Geld?

Heinz wollte ihn herausfordern und sagte: „Ich habe kein Geld mehr zu Hause. Und vor allem keine Silberlinge. Ich habe nur noch Bitcoins.“ Tja, nun hatte er den Kleinen.

Aber Darth Vader Junior konterte: „Hey Alter, kein Problem, schick mir einfach einen Bitcoin hier auf meine Wallet, das geht über Bluetooth oder über das Laserschwert. Das ist Zukunft. Du kannst auch den Ledger nehmen. Da werden die Bitcoins dann per Zahlencode übertragen, und wir schalten alle Banken aus.“

Heinz holte sein Telefon und tippte den Kurs für zwei Euro ein. Es waren 0,00006 Bitcoin. Sankt Martin war im neuen Jahrtausend angekommen. Steckte Milli oder Molli unter der Maske? Nobody knows.

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