
Er galt als wohl der älteste und einzige braune Gorilla in ganz Westfalen. Doch nun, tragischerweise, hat Cheeta für immer die Augen geschlossen, wie der schwer gebeugte Tierparkdirektor mit tränenerstickter Stimme verkündete: „Wir verneigen uns vor einem außergewöhnlich langen Leben. Mit über 39 Jahren war er ein erstaunlich betagter brauner Gorilla – der Einzige dieser Art in unseren Gefilden.“ Seine Präsenz, ein Juwel für Westfalen, ist nun unwiederbringlich erloschen. Cheeta trotzte den Jahren und wurde nahezu doppelt so alt wie seine Artgenossen. Schon am 14. Februar 1988 fand er Zuflucht in unserem Tierpark, nachdem er aus einer privaten Haltung in der VIP-Siedlung gerettet wurde, als er schlichtweg zu mächtig für seine ursprünglichen Besitzer wurde.
Nicht bloß ein Tier in unseren Gehegen, sondern ein Leuchtturm der Bewunderung, ein Magnet für die Massen. Trotz seiner hohen Jahre bewahrte er bis vor Kurzem eine erstaunliche Wendigkeit. Aber in letzter Zeit begann er zu schwächeln, seine Bewegungen wurden immer träger, der Hunger schwand, bis er schließlich erlosch. Die Tierpfleger, Biologen und Veterinäre des Zoos standen vor einer schmerzhaften Entscheidung: Das Ende von Cheetas Qualen bedeutete, ihn einzuschläfern und ihn von seinem Leid zu befreien.
Die traurige Nachricht füllte die Schlagzeilen unserer lokalen Zeitung: „Bielefeld trauert um Cheeta – Eine Ära endet“. Eine Stadt ohne Cheeta schien surreal, und wie reagierte die verbliebene Affenfamilie? Die braune Gorillagemeinschaft, die in Bielefeld und darüber hinaus Einzigartigkeit verkörperte, trauerte. Ein Klagelied hallte durch den Zoo, als die Affen ihren Verlust spürten. Sogar Karin Winterscheid, ein Engel im Alltag, die den Jahnplatz von Zigarettenstummeln befreite, Brötchen für Bedürftige besorgte und sich um die Sicherheit der Touristen kümmerte, konnte ihre Tränen nicht unterdrücken. Die Stadt hatte eigens Ampeln für Handy-Nutzer installiert, die das Ampellicht auf den Boden projizierten und vor Gefahren warnten. In ihren Gedanken versunken, rollten Krokodilstränen über Karins Gesicht. Die Tage verstrichen, während Karin still trauerte.
Dann erblickte sie eine Anzeige in der Zeitung. Die Buchstaben glänzten, doch die Worte trugen einen düsteren Unterton: „Gesucht: Helden von außergewöhnlichem Kaliber. Mannshohe Kostüme von mythischen Kreaturen und legendären Gestalten warten auf ihre Träger. Godzilla, Tarzan, und andere sind bereit. Sogar Angela Merkel findet sich unter ihnen. Menschen werden für ein einschneidendes Ereignis gesucht.“ Karin, geplagt von Zeit und Geldsorgen, wählte die angegebene Nummer und fand sich in einem abgelegenen Fachwerkhaus in der Altstadt von Bielefeld wieder. Ein Ort, der schlichtweg nicht zur Größe des Ereignisses passte. Vor der Tür hing ein verdecktes Messingschild – ein unheilvoller Vorbote.
Die Tür öffnete sich einen Spalt breit, und eine Hand zog Karin ins Dunkel. Überwältigt von Angst und Verwirrung wurde das Licht eingeschaltet, und in diesem Moment enthüllte sich die unerwartete Wahrheit: Dr. Schnapendick, der Zoodirektor, stand vor ihr. Karin war sprachlos, als er begann zu erzählen. Seine Augen, gezeichnet von Sorgen, baten um Verständnis. „Unser Zoo ist in Gefahr. Ohne Cheeta verlieren wir nicht nur ein Tier, sondern auch unsere Existenzgrundlage. Die Massen strömten täglich zu uns wegen ihm. Doch jetzt klafft eine Finanzlücke. Entlassungen stehen bevor, Tiere werden freigelassen, und selbst ich werde zum Hilfsfall. Sie müssen uns helfen!“
Karin war überwältigt und sah sich mit einer schicksalshaften Entscheidung konfrontiert. Dr. Schnapendick enthüllte die Einzelheiten: „Wir werden Ihnen ein Affenkostüm geben. Sie tragen es mindestens zehn Stunden am Tag. Egal zu welcher Zeit – Affen haben unterschiedliche Schlafgewohnheiten. Sie erhalten den Mindestlohn: 140 Euro pro Tag, dazu 100 Euro für Ihre Verschwiegenheit. Wochenenden fallen flach. Das ergibt 7.200 Euro monatlich, ohne Rücksicht auf Kinderzuschläge. Niemand darf je erfahren, dass Cheeta nicht mehr ist. Die Besucherströme müssen anhalten. Ihre Pausen verbringen Sie in der Affenhöhle, wo Sie sich mit den Gästen unterhalten, ohne jemals Aggression zu zeigen – besonders nicht vor den Kindern. Verstehen Sie?“
Karin sah sich in die Enge getrieben und akzeptierte widerwillig das Angebot. Ihre Tage verbrachte sie nun im Zoo. Im Affenkostüm schlüpfend, tanzte sie als Gorilla, interagierte mit den Besuchern, und wurde zur Hauptattraktion im Affengehege. Die anderen Affen zogen mit, tanzten, spielten und aßen wie echte Affen. Karin war froh um das Geld, das sie verdiente.

Doch bald stellte sich die anfängliche Euphorie als trügerisch heraus. Besonders herzzerreißend war der Besuch einer Grundschulklasse unter der Führung von Lehrerin L. Credi. Anstelle von Snacks über den Zaun zu werfen, wurden die Schüler in eine Sachkundeeinweisung mit Reiswaffel-Zeremonie verwickelt. Die Junggesellenabschiede brachten zwar manchmal Unterhaltung, doch gelegentlich wagte sich ein ängstlicher Freigeist ins Gehege. Karin befand sich in einem Zwiespalt. Die endlosen Mätzchen und das Nachahmen von Urwaldgeräuschen in der unerbittlichen Hitze des Kostüms wurden fast unerträglich. Dann kam der 17. September – ein Schicksalstag.
Karin ließ das Grunzen und Stöhnen, riss sich die Maske vom Kopf und rief laut:“Ich habe kein Bock mehr. Die Besucher denken, hier wäre ein Affenzirkus!“ Die Affenhorde hörte Karins Wutausbruch. Der Nebenaffe deutete ihr an, dass sie schweigen sollte. „Hör auf, hier rumzuschreiben, sonst verlieren wir alle hier unseren Job! Wir allen brauchen das Geld Superhelden“. Karin fiel aus allen Wolken. Die gesamte Affenbande bestand aus Laienschauspielern.
Sie war nicht alleine. Was sollte sie tun?
