Es sollte ein schöner Tag werden, Bernd Balkenheim freute sich schon, in seiner Fankurve zu stehen, obwohl es auf der Bielefelder Alm ja keine Kurven gibt, sondern Tribünen. Bernd hatte eine Tochter, die immer viel draußen spielte. Sie hieß Annabrodt.

Das Mädchen möchte ihre Namen nicht. Annabrodt. Nur weil ihre Eltern einen Namen wollten, der einmal in der Klasse der Seegurken in der Grundschule vorkam. Warum konnte sie nicht so einen klassischen A-Mädchenname haben,wie Maria, Selina, Alina oder Lenia? oder ein Y am Ende wie Melody, Joy , Audry oder Bettsy.
Aber Annabrodt, das klingt ja wie Bernd, das Brot. Ab wann durfte man in Deutschland seinen Namen ändern.
Bernd hat genug von „Kurven“, nachdem seine Tochter Annabrodt ihm am Tag zuvor einen menschlichen Knochen mitbrachte. „Guck mal Papa, Ich habe einen Knochen gefunden, der ist aber ganz schön groß!“
Annabrodt spielte mit ihren Freunden auf der Baustelle an der Kirche im Vorort von Bielefeld. Im Rahmen der vorbereitenden Arbeiten für den Bau der Hochbahn entstand eine große Baugrube, die Annabrodt sehr mochte. Bernd Balkenheim rief sofort die Polizei und den Vorsitzenden des historischen Vereins an. Schnell wird ihnen klar dass Annabrodt menschliche Gebeine gefunden hatte. Nach Rücksprache mit den Ermittlern desKommissariats 11 (zuständig fürfür Mord, Totschlag und Tötungsdelikte)
konnten die jedoch Entwarnung geben.Entwarnung geben können: „Der Knochenfund war aus polizeilicher Sicht nicht verdächtig.“ Und eine Erklärung für den Fund konnten die Beamten auch schnell liefern. „An der Stelle war früher ein Friedhof.“ sagte der Polizeisprecher.
Dann wurde die Straßenbahn gebaut, damals schon vor gut 80 Jahren und weil dort eine Kurve ist aber auch ein Friedhof, mussten die Planer da durch. Das ist die „heilige Kurve.“ Man schauffelte die Skelette einfach aufeinander und bettete die Knochen neu sortiert um. Aber dabei war man nicht sehr sorgfältig und immer wieder tauchten Knochen auf.
Die Stadt prüft nun, was mit den menschlichen Überresten geschehen soll. Jedenfalls durfte Annabrodt den Knochen behalten. Und es geschah etwas sehr Merkwürdiges. In Annabrodts Händen begann der Knochen zu leuchten. Er wechselte sogar die Farben.
Mal rot, mal grün, mal blau. Ein wahres Wunder. Leider wusste Annabrodt nicht, wem der Knochen gehörte und sie erfand die Geschichte von der kleinen Babette, die im 15.Jahrhundert mit Fischen reden konnte und Wunder tat. Früher gab es viele Fische in den Flüssen Ostwestfalens, deren magische Kräfte zugesprochen wurden.
Annabrodt setzte sich in die „heilige Kurve“ in Bielefelds Vorstadt mit dem leuchtenden Knochen. Alle sollten etwas von Babette hören. Eine neue Wallfahrtsstätte war geboren.

Annabrodts Vater übernahm das Merchandising und die Lenkung der Besucherströme sowie die Kollektensammlungen. Annabrodt gab ihre beruflichen Pläne „irgendwas mit Tieren zu machen“ auf und nannte sich die Heilige Fürsprecherin Annabrodt. Im Heiligsprechungsverfahren, das zunächst in der Diözese und dann in der zuständigen Behörde der römischen Kurie durchgeführt wird, gibt es eine entscheidende Hürde: die Seligsprechung. Selige werden nur regional verehrt, Heilige von der gesamten Weltkirche. Mutter Teresa wurde in Rekordzeit seliggesprochen. Normalerweise müssen fünf Jahre nach dem Tod vergehen, in diesem Fall erlaubte Johannes Paul II. bereits nach weniger als zwei Jahren den Beginn des Verfahrens, das dann etwas mehr als vier Jahre dauerte. Vor einer Heiligsprechung wird das Leben des Verstorbenen noch einmal durchleuchtet, nach Möglichkeit werden seine Angehörigen befragt, Dokumente gesammelt und zusammen mit einer ausführlichen Biographie nach Rom geschickt.

Und es braucht neben dem Wunder für die Seligsprechung noch ein zweites Wunder, nämlich ein medizinisches. Nur Märtyrer werden seliggesprochen.In Bielefeld dauert es nur vierzig Monate. Dann war die Heilige Babette in den Reigen der Anzubetenden aufgenommen. Leider konnte dann die Straßenbahn nicht mehr gebaut werden, weil die neue Kirche der Heiligen Babette zu groß wurde. Eine U-Bahn wurde bevorzugt.
(Quelle: Neue Westfälische vom 11.03.2023)
