
Neulich hörte die Studienrätin Svenja Treering eine Verkehrsmeldung im Radio: „Auf der A2 in Richtung Bielefelder Berg müssen Sie mit einer 20-minütigen Stauzeit wegen eines defekten LKWs mit einem Loch rechnen.“ Dieser lockere und saloppe Ton ist seit Jahren beim WDR-Sender Eins Live zu hören – und nicht nur bei diesen Durchsagen. Schließlich richtet sich die Zielgruppe an 14- bis 39-Jährige. Doch nun hat auch der traditionsreiche WDR 2, der nicht dafür bekannt ist, junge Leute und Berufsjugendliche anzusprechen, das Duzen übernommen. Die Pop- und Infowelle richtet sich vor allem an die 25- bis 59-Jährigen, also an ein Publikum, das in seinen Umgangsformen teilweise noch an die alte Schule gebunden ist. Bei Radio Bielefeld kann Svenja Treering das noch durchgehen lassen, die finanzieren sich selbst. Aber der WDR? Die Studienrätin, die in ihrer Freizeit Benimmkurse für benachteiligte Jugendliche gibt, weil in Tanzschulen nicht mehr auf Etikette geachtet wird, hat recherchiert:
Im 12. Jahrhundert entwickelt sich die Höflichkeitsform der Anrede. Mit „Ihr“ zollt man anderen Respekt. Im späten 17. Jahrhundert folgt das Siezen. Im 17. und 18. Jahrhundert ist auch das Erzen verbreitet. Ein Du kann nicht eingefordert werden. Die Dame bietet es dem Herrn an, der Ältere dem Jüngeren, der Vorgesetzte dem Untergebenen. Ein einmal vereinbartes Duzen gilt lebenslang, ein einseitiges Du gibt es nicht – Kommunikation auf Augenhöhe setzt die gleiche Anrede voraus. Ausnahmen gibt es bei Wanderern, Wintersportlern und im Fitnessstudio, wo man sich nach einem ungeschriebenen Gesetz ab einer Höhe von 1600 Metern generell duzt. Im Tal fällt dieses „Berg-Du“ wieder weg.

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hat bei den Hörerinnen und Hörern seines Regionalprogramms nachgefragt, welche Anredeform sie bevorzugen. Die Umfrage trug den Titel „Sie oder du – wat denn nu?“ Das Ergebnis zeigte, dass trotz der allgemein lockeren Höflichkeitsformen in der Hauptstadt, 72 Prozent der Befragten sich gerne gesiezt wünschten, während 28 Prozent das „Du“ bevorzugten. Der RBB gab bekannt, dass sie weiterhin auf die Höflichkeitsform „Sie“ setzen werden, obwohl das „Du“ durch Social Media und in vielen Unternehmen mittlerweile üblich geworden ist und als persönlicher und näher empfunden wird.Aber war es in Bielefeld besser? Ob im Loom, beim Inder um die Ecke oder im Schuhgeschäft, überall war das Du. Und bei den Beamten? Welche Strafen drohen bei Beamtenbeleidigung? Je nachdem, in welcher Situation beleidigt wird und wie einfallsreich der Beleidiger ist, reicht das Strafmaß von Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen. Beginnen wir mit den Geldstrafen: Schon das Duzen eines Polizisten kann mehrere hundert Euro kosten.
Dasselbe gilt für Lehrer. Das Schulhalbjahr war zu Ende und die Oberstudienrätin freute sich auf ihren Hofgang an der Schule. Sie konnte reich werden. Das „DU“ hatte sie weder den Jugendlichen noch ihren KollegInnen angeboten.
