GAS

Anselm Panstedt reichte es. Er war wütend, als er die Gesternzeitung aufschlug. Tageszeitung konnte er nicht sagen. Er bekam die lokale Gazette immer einen Tag später von der Nachbarin. Fast 47 Euro kostete die Zeitung im Monat. Der erste Teil interessierte ihn nie, da alles schon im Netz zu lesen war. Aber manchmal gab es doch so einige Kuriositäten. So besuchen 2022 mehr als 355000 Menschen die Freibäder. Also jeder Oberstädter war schon mal im Chlorbecken. Anselm Panstedt aber nicht. Kann das dann stimmen? Er fand einen Artikel zum Energiesparen in der VHS. Das war doch spannend. Ach ja, er sollte dort ja den Hauptvortrag halten. Hatte vergessen, oder übersehen. Anselm bereitete sich vor.

Anselm war erschüttert. Es war der 16.09.2022 und der Herbst kam. Die großen schwarzen Spinnen krochen langsam ins Haus, die letzten Schneider zappelten an der Toilettenlampe, im Lidl gab es Kürbis und Spekulatius und Herr Habeck fordert jetzt schon die Leute auf, die Heizung nicht anzumachen. Und das Anfang September. Anselm nahm es gelassen, er hatte gar keine Heizung. Jedenfalls keine, die an war. Er war vorbereitet. Und er konnte für seinen Vortrag in der Volkshochschule viel Geld verlangen. Es war der Auftakt einer Lesereise, die ihn durch ganz Deutschland führte. Zudem bekam er einen Honorarvertrag der WILD – Zeitung, die einen großen Blackout voraussah. Alle in Deutschland wussten, dass dies einmal kommen wird. Anselm Panstedt war auch im Club AA aktiv. Das waren die Anonymen Alleswisser aktiv. Aber das durfte niemand wissen. Wie hat sich Anselm also vorbereitet.

Zuerst hatte er seinen Job gekündigt. In seinem Büro war es noch einigermaßen warm und wenn er dort seinen Computer nutzte, sein Handy dort auflud und die Teeküchenmikrowelle nutzte, konnte man sich dort gut aufhalten. Er trug wollende Herrenstrumpfhosen, die es leider im hiesigen Kaufhaus immer seltener gab. Die langen, weißen Feinrippunterhosen erinnerten ihn immer an seinem Opa, der aus Kriegserzählungen davon schwärmte. Er hasste diese Liebestöter.

Die Lamadecke von der letzten Kaffeefahrt seiner Großmutter wärmte seinen Wams. So brauchte er in seiner Wohnung von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr keinen Strom. Dann aber kam der Sicherheitsdienst und er musste raus. Aus dem Papiercontainer der nahegelegenen Creperie holte er sich leere Eierkartons. Die brauchte er, um die Wohnungsdecken damit zu verkleiden. Das war nicht nur ein Schallschutz gegen die zeternde Großfamilie über ihn, sondern auch ein idealer Kälteschutz. Die alten Gesternzeitungen steckte er unter das Laken seines Bettes, das knisterte etwas beim Schlafen, aber hielt ihn von unten warm. Zudem stiegen die Buchstaben der Zeitung auf magische Art und Weise in sein Gehirn.  Am Samstag war immer ein Kirchgang angesagt. Morgens waren die meisten Menschen shoppen und er war oft alleine in der katholischen Kirche. Dort stibitze er dann die Opferkerzen. Das merkte keiner. Zuhause schmolz er diese in seinem Wachskocher auf dem Campinggasgerät zu Wärmeblöcken.  Zwischen 22.00 Uhr und 23.59 Uhr schlich er sich durch das Dickicht in den Nachbargarten. Dort war eine Steckdose für den Rasenmäher. Die Nachbarn hatten die Vorhänge zugezogen. Diese zwei Stunden reichten, alle Akkus, vom Handy über den Laptop bis hin zum Rasierapparat und Epiliergerät aufzuladen.  Merke kein Mensch. Das alles war zwar etwas mühsam, aber so lebte er in einem fast 0-Energiehaus. Die 500 Euro für Gas und Strom sparte er und investierte sie in eine chinesische Atomaktie, die bald explodieren sollte.  Wie schon gesagt, hatte Anselm gekündigt. Im Oktober und November war er der gefragte Redner, was Energiesparen angeht. Nur in Köln sah man ihn nicht gerne. Dort im Dom hatte er wegen der Kerzenaktion Hausverbot. Er stellte die Notfallbroschüren vor, die auf der Homepage des Bundesamtes für Bevölkerungsschutzes und Katastrophenhilfe zu finden waren. Dort gibt es sogar Hefte, wie „Kochen ohne Strom“ (Quelle: https://www.bbk.bund.de

Es gab auch interessante Vorschläge für Menschen, die keinen Keller haben. Das war echt spooky, aber Peter wusste aus seinem AA- Zirkel, die Regierung weiß mehr und wird, im Regierungsflieger im Winter Deutschland fluchtartig verlassen und in Neuseeland um Asyl bitten.

Peter zitiert:

„Grundsätzlich empfehlen wir das Prinzip „lebender Vorrat“. Versuchen Sie, Ihren Vorrat in Ihren alltäglichen Lebensmittelverbrauch zu integrieren. So wird er immer wieder verbraucht und erneuert, ohne dass Lebensmittel verderben.  Kaufen Sie beispielsweise zwei Packungen Nudeln und achten Sie darauf, Nachschub zu besorgen, bevor die letzte Packung angebrochen wird. Neu gekaufte Vorräte gehören dabei nach „hinten“ ins Regal: Brauchen Sie die älteren Lebensmittel zuerst auf, damit möglichst nichts verdirbt.

Wenn es Ihnen dennoch an Platz fehlt, gibt es verschiedene kreative Ansätze, Stauraum in kleinen Wohnungen zu nutzen. Getränkekästen können beispielsweise zu Sitzgelegenheiten (Hocker) oder Tischen umfunktioniert werden. Im Internet gibt es viele Bastelideen zum Selbermachen, es können aber auch entsprechende Auflagen gekauft werden.“ (Quelle: https://www.bbk.bund.de/DE/Warnung-Vorsorge/Vorsorge/vorsorge_node.html)

So integrierte er Bastelecken in seinen Vorträgen.

Im Dezember dann nahm er das Angebot von Ilgay Günuzly, Inhaber einer Hotelkette in Bodrum an. Dort bot man Rentnern und Langzeiturlaubern an für drei Monate im Hotel zu wohnen. Und das für umsonst. Klar, die Küche war geschlossen, aber auf dem naheliegendem Markt gab es Brot, Oliven und Tee für schmales Geld. Anselm musste nur auf das Hotel aufpassen, von 10-14.00 Uhr den Pool säubern, mal die Blätter zusammenfegen und der Urgroßmutter von Ilgay schöne Augen machen.

Dann wäre der Winter überstanden und Anselm würde als Energieberater für die hiesigen Stadtwerke in die Oberstadt zurückkehren.

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten