Bier

Holger Weizenfeld war Brauer in der 10.Generation. 1653 hatte sein Ur-Ur-Ur-Urgroßvater Ambrosius Wytenfelte in Krachtenhausen das erste lippische Roggennbier gebraut. Es war bitter und sauer aber es wurde natürlich jeden Abend getrunken, denn Bier ist ein Lebensmittel. Das harte lippische Bauernbrot wurde dort eingedippt und schon kleinen Kindern als Lebenselixier eingeflößt. Die kleine Brauerei entwickelte sich bis 1999. „Weizenfelders“ wurde die lokale Biersorte. Obwohl kein Weizen darin war. Auf der Flasche konnte man Ambrosius Wytenfelte Konterfei mit feinen Pausbäckchen und Brauerschürze sehen. Die Gäste kamen in die angebaute Brauereigaststätte zum Stammtisch und Skatabend.

Dann aber wurden das Fernsehen und das Internet auch in dem Örtchen Krachtenhausen immer wichtiger, die Stammgäste kamen nicht mehr und der Discounter bot Schädelmeister für 4,99 Euro an. Holger Weizenfelder bekam Besuch von einen Mitarbeiter von Radeberger. Radeberger ist die größte Brauerei in Deutschland, was nicht ganz stimmt, es sind mehrere Firmen darunter. Und sogar Dr. Oetker steckt mit drin. Radeberger wollte „Weizenfelders“ übernehmen und Holger einen Job geben. Die Bierindustrie ist ein bedeutender Teil der deutschen Wirtschaft und ihr Interesse an Statistiken zum Kauf- und Konsumverhalten der Deutschen dementsprechend groß, so dass einige interessante Fakten über den deutschen Biermarkt herausgefunden werden sollen. Das sollte Holger herausfinden.  Er verkaufte die Brauerei und war als freischaffender Biermarktanalyst unterwegs.

Er erfuhr, dass im nahe gelegenen Brackwede eine neue Brauerei aufgemacht werden sollte.

Leider stand sein Name nicht auf der Gästeliste. Das kannte er schon. Wie ein Testesser für den Michelin-Stern war er oft inkognito unterwegs. Brackwede.. zwischen türkischen Brautläden, Goldstuben, Handyshops und Grillstube Marmaris suchte er vergeblich nach der Brauerei. In seinem Kopf sucht er nach messingfarbenen Braupötten und roten Backsteingebäuden. und vermisste den süßlichen Geruch, der beim Brauen entsteht. Vanille konnte man riechen. Dr.Oetker war in der Nähe.

In seinem Gedächtnis hatte er das Dortmunder U und die alte Becks-Brauerei gespeichert. So etwas sah er nicht.  Dann erblickte er  ein neues Gebäude, stylisch modern. Er turnte eine halbe Stunde auf der Hüpfburg  auf der Einweihungsfeier und gönnte sich dann das neue Bier, welches in modernen Bechern ausgegeben wurde. Die Flaschen hinter der Theke waren fein drappiert und beleuchtet. Die Inneneinrichtung war nüchtern modern, kein Mief mehr von Bierecktischen, grünen Tischdecken und Stolvesand-Zigaretten.

Holger suchte verzweifelt nach dem Slogan der Brauerei. Er kannte sie alle. Alle Werbesprüche.

„Heute ein König“ , „Gut, besser, Paulaner, “

„irgendwann erfrischt es jeden“,

„Männer wie wir, Wicküler Bier“,

 „nicht immer, aber immer öfter“,

„Bitte ein Bit“,  

„Barre Bräu – dein Herz erfreu“.

Womit warb man hier? Kein Eisvogel, kein rauschender Bach, keine Nordseeinseln, keine dicken Mönche. Wenn die neue Brauerei sich keine Marketingkampagne ausgedacht hatte, musste sie so von dem Gebräu überzeugt sein, dass alleine das Design und der Geschmack Kunden aus ganz Deutschland anziehen würden.  Auf der Bierflasche Stand „Bielefelder“, es waren Kacheln zu sehen, was an die Bielefelder Sparren erinnern sollte. Und doch, da war noch eine Burg zu sehen.

War das eine Rückbesinnung auf die alten Zeiten? In Paderborn brachte man ein Pilgerbier heraus, ein Ambrosius und ein Bier mit Namen „Walz“ und sogar die alte Bitburger Brauerei setzten auf den Nostalgieboom. Ihr Landbier kam in einer dicken Pulle mit alten Bauernhäusern und dem schönen Namen Eifelbräu in die Supermärkte.

Diese Brauerei sah so anders aus. So modern, so jung. Ob sie mit dem neuen Konzept erfolgreich bleibt? Die meisten Biertrinker in Deutschland sind ja wie Holger Weizenfeld schon älter und denken an die alten guten Zeiten zurück. Für sie kostet ein Kasten Bier zehn Euro. Was sollte Holger seinen Auftraggebern berichten?  Eine neue Brauerei mit modernem Auftritt, die sich gar nicht mehr Brauerei nennt, sondern Braumanufaktur.

Das machte ihn neugierig.

Der Begriff „Manufaktur“ kommt aus dem Lateinischen. „Manus“ ist die Hand und „factura“ kommt von „machen“. Manufaktur heißt also, dass man etwas mit der Hand herstellt. Unter einer Manufaktur versteht man einen Betrieb, der zwischen dem traditionellen Handwerk und der modernen Fabrik steht. Und das gefiel Holger. Das passte. Das gefiel ihm. Dieses Bier war nicht zum Durstlöschen, sondern steht für ein gut gemachtes hochpreisiges Bier, was man genießen und nicht kippen sollte.  Dafür gab es durchaus einen Absatzmarkt.

Ein Bier halt der Spitzenklasse.

Dann fand er den Slogan der Brauerei: Braut dich um!

Holger bestellte noch mehrere Flutlicht-Biere, träumte vom Abendspiel der Arminia und beschloss: „Hier gehe ich nicht wieder weg.“  Das ist so lecker hier. Um 01.45 Uhr saß er immer noch bierselig auf der Bierbank und kam mit dem Gründer der Brauerei ins Gespräch. Als der Unternehmer hörte, dass Holger Weizenfeld im 1.Leben Brauer war, gab er ihm sofort ein Jobangebot. Die Bielefelder Braumanufaktur sollte expandieren. Holger sollte dabei helfen. Bielefeld gab es wirklich.

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